Wolfsburger Allgemeine vom 25.02.2025
Peter Prange entführt im Scharoun Theater auf lebhafte Weise ins ausgehende 19. Jahrhundert Der Autor Peter Prange las bei der Theaterring-Veranstaltung „Literarisches und Lukullisches“ aus seinem Roman „HerrlicheZeiten“. Quelle: Robert Stockamp Spannende Erzählkunst: Auf Einladung des Theaterrings Wolfsburg las der Autor Peter Prange aus seinem Historienroman „Herrliche Zeiten“. Dabei überzeugte er nicht nur durch rhetorische Versiertheit, sondern lieferte auch noch viele interessante Fakten aus der Zeit zwischen dem Deutsch-Französischen und dem Ersten Weltkrieg. Nicht nur für Bücherwürmer - in seiner Reihe „Literarisches und Lukullisches“ lud der Theaterring Wolfsburg den Autor Peter Prange ins Foyer des Scharoun Theaters ein. Prange las aus seinem aktuellen Roman „Herrliche Zeiten - Die Himmelsstürmer“. Diesen widmete er ausdrücklich seinem Freund und Wolfsburger Ehrenbürger Rolf Schnellecke, der auch anwesend war. Prange verstand es an diesem Abend nicht nur, historische Fakten in einen lebhaften Roman verpackt zu präsentieren, sondern insgesamt auch sehr unterhaltsam vorzutragen und dabei viele Erläuterungen zu geben. „Herrliche Zeiten“ beginnt 1871. Nach dem gewonnenen Deutsch-Französischen Krieg gründete sich das Deutsche Reich. Das Machtgefüge in Europa veränderte sich grundlegend. „Diese Janusgesichtigkeit der Zeit hat mich fasziniert“, erklärte Peter Prange. „Auf der einen Seite dieses politisch-nationalistische Europa, der einzelnen Völker und Nationen, die gegeneinander arbeiten, aber auf der anderen – auf der wirtschaftlichen, auf der kulturellen und gesellschaftlichen Ebene – dieses offene Europa, wo die Menschen immer mehr zusammenwachsen.“ Lesung von Peter Prange in Wolfsburg: Die Geschichte von „Herrliche Zeiten“ Diese internationale gesellschaftliche und kulturelle Annäherung lässt er seine drei Hauptcharaktere erleben: die Engländerin Vicky Paxton-Stokes, den Deutschen Paul Biermann und den Franzosen Auguste Escoffier. Die jungen Menschen begegnen sich zum ersten Mal in Karlsbad und schließen Freundschaft miteinander. Zunächst habe er vorgehabt, nur den fiktiven Ingenieur Biermann zu seinem Protagonisten zu machen. Ein Zufall brachte ihn dazu, eine historisch verbürgte Figur hinzuzunehmen. Er habe spätabends durch das Fernsehen gezappt und landete bei einer Dokumentation auf Arte über den Koch Auguste Escoffier. „Und der hat mich wirklich fasziniert“, sagte Prange. So kam der Autor zu einer Hauptfigur des Romans „Vor allem, weil er etwas Ungeheuerliches gemacht hat: im Sommer 1914 hat dieser Auguste Escoffier ganz Europa an einem Tisch vereint. Er hat ein Menü d‘Epicure eingerichtet, ein epikurisches Gastmahl. Und dieses epikureische Gastmahl sah so aus, dass an einem und demselben Tag im Juli 1914 in 117 verschiedenen Spitzenrestaurants und Hotels in ganz Europa ein und dasselbe Menü nach einem und demselben Rezept von ihm zur gleichen Stunde stattgefunden hat.“ Für Escoffier, der um 1900 die ganze internationale Kochkunst revolutioniert habe, sei es wohl eher eine Marketing-Idee gewesen. Aber Peter Prange faszinierte dieses paneuropäische Ereignis, in das die Schüsse von Sarajevo fielen, die zum Ersten Weltkrieg führten und den vom Autor so hochgepriesenen zivilen Austausch der nationalistischen Staaten beendete. Historik und spannende Erzählkunst Vicky Paxton-Stokes ist die fiktive Enkelin einer historischen Figur. Joseph Paxton entwarf den berühmten Kristallpalast im Londoner Hyde Park aus Anlass der Weltausstellung von 1851. Über Paxton schrieb Prange in seinem Roman „Die Rebellin“, einem Teil seiner Weltenbauer- Trilogie. Der Roman dreht sich vor allem um Paxtons Tochter Emily. Die drei Protagonisten aus „Herrliche Zeiten“ setzt Peter Prange gewohnt souverän in eine historisch korrekte Szenerie. Dabei geht es um den rasanten Aufstieg Berlins mit dem von Bismarck forcierten Kurfürstendamm, die zunehmende Abschottung Großbritanniens von Europa und die technischen Innovationen dieser Zeit. Die letzten beiden Aspekte brachten ihn auch dazu, nach einem ganz bestimmten Projekt zu recherchieren: dem Tunnel unter dem Ärmelkanal. „Ich bin auf diese Tunnelidee nicht gekommen, weil ich bei der Recherche darüber gestolpert wäre“, betonte der Autor. Vielmehr habe er sich so sehr mit der Zeit, in der der Roman spielt, vertraut gemacht, dass es ihm nur logisch erschienen sei, dass dieses Projekt damals schon angedacht habe sein müssen. Er wurde fündig. Technisch sei es auch Ende des 19. Jahrhunderts möglich gewesen, einen Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal entlangzuführen. Immerhin ist auch 1882 der 7,5 Kilometer lange Gotthardtunnel fertiggestellt worden – im Gegensatz zum Ärmelkanaltunnel. „Dieser Tunnel ist damals nicht realisiert worden, übrigens aus den gleichen bonierten Gründen, weshalb die Engländer vor ein paar Jahren aus der EU ausgetreten sind“, sagte Prange. Peter Prange hat auch schon über das Wolfsburger Land geschrieben Mit diesen vielen zusätzlichen Erläuterungen und Einschätzungen gestaltete der Autor die Lesung im Foyer des Scharoun Theaters zusammen mit Auszügen aus seinem Roman sehr abwechslungsreich und hochinteressant. Zudem erwies er sich als rhetorisch versiert, wodurch man ihm sehr angenehm folgen konnte. Mit seinem Vortrag hat Peter Prange sehr neugierig auf den ersten Band von „Herrliche Zeiten“ gemacht, der den Untertitel „Die Himmelsstürmer“ trägt. Der zweite Band erscheint voraussichtlich im Herbst dieses Jahres. Den Wolfsburgern ist der Autor wohl vor allem durch seinen ebenfalls zweibändigen Roman „Eine Familie in Deutschland“. Dieser erzählt die Geschichte der im Wolfsburger Land lebenden Familie Ising von 1920 bis 1945, die die Auswirkungen der NS-Diktatur auf die Familie beschreiben. Prange liest im Theater und gibt Wolfsburger Männern einen Rat Von Hans Karweik Peter Prange las im Foyer des Scharoun-Theaters aus seinem Werk „Der Himmelsstürmer“ – mit interessantem Tipp an die Wolfsburger Männer inklusive. © regios24 | Lars Landmann Autor Peter Prange las im Foyer des Scharoun-Theaters aus seinem Roman „Die Himmelsstürmer“. Was das Werk mit der aktuellen politischen Lage verbindet. Ob 2025 in Riad, 1945 in Jalta oder 1871 in Paris – die Politik hat Auswirkungen auf das Leben aller von den Entscheidungen der jeweiligen Mächte betroffenen Menschen. Mit den Folgen der Krönung des Preußenkönigs Wilhelm zum deutschen Kaiser in Versailles, einer Demütigung Frankreichs, zudem fünf Milliarden Francs in Gold (1450 Tonnen Feingold) als Kriegsentschädigung beginnt Peter Pranges Roman „Die Himmelsstürmer“. Der Autor erzählt im voll besetzten Foyer des Scharoun-Theaters Wolfsburg auf Einladung des Theaterrings, wie im Kurort Karlsbad drei junge Leute die damalige Freizügigkeit Europas genießen. Er schreibt, nicht in Österreich-Ungarn, auch nicht im tschechischen, sondern im „böhmischen Kurort“ traf sich die Oberschicht, damit fein auf geschichtliche Bezüge verweisend. Das ist ein stilistisches Kennzeichen seiner Erzählkunst. In Wolfsburg gibt Peter Prange einen Rückblick auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg In Karlsbad sind es Vicky Paxton, Tochter einer britischen Industriellen-Familie; Paul Biermann, Sohn eines vom dank der „Reparationen“ ausgelösten deutschen Baubooms profitierenden Unternehmers; sowie Auguste Escoffier, aus ärmlichen Verhältnissen aus eigener Kraft aufsteigender, französischer Meisterkoch. Alle drei verbindet der Schwung der Belle Époque, die Internationalität einer offenen, europäischen Welt. In der sich aber Frankreich und Großbritannien Afrika ohne Rücksicht auf vorhandene ethnische Verhältnisse in „geraden Linien“ aufgeteilt haben. Der Nationalismus steht im dialektischen Widerspruch zur Freizügigkeit, weshalb der fast 70-jährige Autor seinen historischen Roman mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 enden lässt. Peter Prange verbindet faszinierende Handlung mit historischen Fakten Was bis zum tödlichen Stellungskrieg bei Verdun passiert, las und schilderte Prange in so spannenden wie unterhaltsamen Auszügen. Auf seiner Homepage gesteht er, in jungen Jahren Karl May und Thomas Mann „verschlungen“ zu haben. Das wirkt sich aus. Der weltweit gelesene Schriftsteller verbindet gekonnt eine faszinierende, mitnehmende Handlung mit korrekten, so akkurat wie akribisch eingebauten historischen Fakten. Vicky ist in ihrem Selbstverständnis noch ganz die brave, sittsame Tochter aus gutem Haus. Ihr Großvater baute den Kristallpalast der ersten Weltausstellung 1851 in London. Die ist bis heute eine Schau neuer Möglichkeiten. Zugleich spürt sie, dass ihr anerzogenes Rollenverständnis überholt ist. Sie verliebt sich in Auguste. Autor Peter Prange verrät Wolfsburger Männern, wie man Frauen erobert Escoffier, erläutert Prange, sei ein Franzose, erfahren in Avancen. So erzählt er von seiner schweren Kindheit als Küchenjunge, bittet sie, ihre Hand mit seinen Lippen zu berühren, schließlich um einen Kuss. Sie gewährt zarte Bitte um zarte Bitte. Dabei wollte sie sich doch nur für seinen Hinauswurf durch ihre Mutter entschuldigen (er musste durch den Dienstboteneingang gehen). Peter Prange promovierte als „Erotologe“ (seine Bezeichnung) mit einer Arbeit über die Sittengeschichte der Aufklärung. Er gibt allen Männern in seinem Publikum den Tipp: mit schwerer Kindheit lässt sich jede Frau erobern. Und Paul Biermann kommt zu spät. Er macht Berlin durch moderne Kanalisation geruchsfrei.
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Wolfsburger Nachrichten vom 21.02.2025