Wolfsburger Allgemeine vom 28.01.2025
theaterring wolfsburg e.v.                   Bildung, Kunst und Kultur theaterring wolfsburg e.v. Partner und Förderer des Scharoun Theaters seit 1965
Neujahrsempfang des Theaterrings mit Operettenliedern aus den 1920er-Jahren. FOTO: TIM SCHULZE Viel Applaus bei Neujahrsempfang des Theaterrings Das „BBBerlin-Trio“ und Martin Weller unterhielten kurzweilig Von Robert Stockamp Abwechslungsreich und im besten Sinne erbaulich war der Neujahrsempfang des Theaterrings auf der Hinterbühne des Scharoun Theaters. Musikalisch gestaltet wurde der Abend durch das „BBBerlin-Trio“ mit Operettenliedern der 1920er-Jahre aus der Hauptstadt. Der Abend war auch ein Stück weit lehrreich. So erfuhr man, woher die Redewendung „das Glück beim Schopfe packen“ stammt und so einiges über die Operetten, ihre Komponisten und Librettisten. Das Trio Burkhard Bauche (Pianist), Stefanie Hildebrandt (Sopran) und Francisco Huerta (Tenor) unterhielt das Publikum mit bekannten Stücken von Paul Lincke, Walter Kollo, Franz Lehár und weiteren Komponisten. Vor allem der Koloratursopranistin gelang es großartig, mit der Musik zu spielen. Sie wechselte mühelos zwischen vollem Sopran und Sprechgesang, tanzte gelegentlich auch dazu und verviel auch mal in Chansongesang, um dann wieder plötzlich einen schillernden Sopran erklingen zu lassen. Auch Huerta hatte seine großen Momente. Der chilenische Tenor hatte allerdings so seine Mühe mit der Artikulation, wenn es sehr flott wurde, verstolperte gelegentlich oder setzte sogar ganz ab. Welches stimmliche Potenzial in ihm steckt, zeigte er besonders im „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Lehárs „Land des Lächelns“, wo er seine Stimme zu voller Kraft entfalten konnte. Das Publikum war begeistert. „Duft strömt aus deinem Haar, und deine Haut ist wie Parfüm: So lautete der ursprüngliche Text dieser Arie“, erklärte Martin Weller. Zur Uraufführung 1923 habe die Operette auch noch „Die gelbe Jacke“ geheißen und sei wenig erfolgreich gewesen. Erst in der Überarbeitung mit dem heute bekannten Titel und Tenor Richard Tauber wurde sie ein Erfolg und ist heute Lehárs bekannteste Operette. Weller verstand es glänzend, kurzweilig in die jeweiligen Werke einzuführen. Dabei blickte er auch auf den düsteren Ausgang dieser kurzen, aber glänzenden Epoche der Berliner Operette. Die meisten Librettisten dieser Zeit seien jüdischer Abstammung gewesen und hätten vor den Nazis fliehen müssen. Auch der deutsch-ungarische Komponist Paul Abraham gehörte dazu. Gespielt wurden Stücke aus seiner Operette „Ball im Savoy“, die noch im Januar 1933 vor der Machtergreifung Uraufführung feierte. Zum Abschluss erklang aus dieser das Duett „Reichen wir zum Abschied noch einmal die Hände“. Es sei das inoffizielle Abschiedslied dieser Zeit, sagte Martin Weller. Kurz darauf wurde das Stück von den Nationalsozialisten verboten. Mit riesigem Applaus bedankte sich das Publikum nach diesem berührenden Abschluss bei den Künstlern und dem Moderator. In den daraufhin unvermeidlichen Zugaben gab es noch Willi Kollos „Lieber Leierkastenmann“ und ein kräftig vom Publikum unterstütztes „Berliner Luft“ von Lincke, mit dessen Ouvertüre aus der gleichnamigen Operette der Abend auch eröffnet worden war. So waren am Ende des Abends alle glücklich. „Glück“ war dabei auch das Thema der Eröffnungsrede der Theaterringvorsitzenden Dorothea Frenzel. „In der griechischen Mythologie gilt Kairos als der Gott des glücklichen Augenblicks“, erklärte sie. Er habe als einzige Haarpracht eine Locke an der Stirn. „Es heißt, wenn man ihn ergreifen will, muss man ihn an der Locke packen.“ Daher stamme die Redewendung „Das Glück beim Schopfe packen“. Frenzel bedankte sich sehr bei den Mitarbeitern des Theaters, die eine wunderbare Atmosphäre für diesen Abend geschaffen hätten. Als Vertreter des Hauses bedankte sich Christian Mädler seinerseits für die emsige Arbeit des Theaterrings: „Der Theaterring verbindet mehr denn je. Im Jahr 2024 gab es so viele vom Theaterring initiierte und durchgeführte Veranstaltungen wie noch nie.“ Berliner Luft wabert durch das Wolfsburger Scharoun-Theater Von Hanz Karweik Das BBBerlin-Trio unterhielt die Gäste des Wolfsburger Scharoun-Theaters. Es besteht aus Pianist Burckhard Bauche, Sopranistin Stefanie Hildebrandt, und Tenor Francisco Huerta. © regios24 | Lars Landmann Der Theaterring präsentierte beim Neujahrsempfang das BBBerlin-Trio. Das Publikum erlebt eine musikalische Reise ins 20. Jahrhundert. Die Gelegenheit beim Schopfe packte der Theaterring Wolfsburg. Und lud zwei Tage vorm Holocaust-Gedenktag zum Neujahrsempfang ins Scharoun-Theater ein. Auf den griechischen Gott des günstigen Augenblicks, Kairos, stießen auf Zuspruch der Vorsitzenden Dorothea Frenzel etwa 100 Gäste am Samstagabend an. 100 Gäste beim Neujahrsempfang des Wolfsburger Theaterrings Sie erlebten, wie die Berliner Operette aufblühte, bevor 1933 „eine Epoche der Freiheit“, wie Moderator Martin Weller sagte, endete. Die „Berliner Luft“ füllte sich alsbald mit Rauch. So wie Paul Abrahams Chanson mit der Zeile „Liebe und Glück sind nur ein Traum“ endete. Zum Abschluss dieses Abends bravourös vorgetragen vom BBBerlin-Trio. Berliner Luft atmeten die Gäste des 16. Neujahrsempfangs des Theaterrings im Wolfsburger Scharoun-Theater. © regios24 | Lars Landmann So war der Auftritt des BBBerlin-Trios im Wolfsbuger Scharoun-Theater Das sind Burckhard Bauche, 1966 in Berlin geborener Pianist und Entertainer, Stefanie Hildebrandt, lyrische Koloratur-Sopranistin, und der chilenische Tenor Francisco Huerta. Sie sangen und spielten ihr Publikum zurück in die „Roaring Twenties“, die „goldenen Zwanziger Jahre“ des 20. Jahrhunderts. Vergnügungslust löste das Nachtleben der Hauptstadt aus, die Operette brachte gern gehörte und gesungene Arien, dazu gab es Chansons auch mit Berliner Jargon. Cläre Waldoff sang sie, nach deren „Beene janz Berlin verrückt“ war, in der Scala und im Wintergarten. Sie war offen lesbisch, sang nicht nur Kollos und Künnekes Lieder, sondern auch Tucholskys, gab im Sportpalast noch ein Benefizkonzert für die „Rote Hilfe“. Politisches Auftrittsverbot der Nazis. Deutschland war kein „Land des Lächelns“ Und Paul Abrahams Musik, der dieses Lied aus „Viktoria und ihr Husar“ schrieb, galt als „entartet“. Deutschland war kein „Land des Lächelns“, Richard Tauber, für den Franz Lehár Tenor-Arien schrieb, wurde als „Judenlümmel“ von einem SA-Trupp zusammengeschlagen, Lehárs Werke schließlich geduldet mit Sondergenehmigung Hitlers. Zurückgestuft in eine nur „silberne Ära“ wurden dennoch die Operetten von Paul Lincke und Eduard Künneke, Begründer der Berliner Operette. Dabei kooperierte Lincke mit den Nazis, schrieb sogar für die SA „Unsere braunen Jungs“. Aber der berühmte Theater-Kapellmeister und Komponist war den neuen Nazis suspekt. Auch Künneke, dessen leicht beschwingter „Vetter aus Dingsda“ bis heute begeisternde Lieder enthält, durfte nur mit Sondergenehmigung von Goebbels weiterkomponieren. Dorothea Frenzel, Vorsitzende des Wolfsburger Theaterrings, begrüßte die Gäste des Neujahrsempfangs. © regios24 | Lars Landmann Arien der Berliner Operette erklingen im Wolfsburger Scharoun-Theater Verfolgung, Diffamierung, Auftrittsverbot müssen die drei vom BBBerlin-Trio nicht befürchten. Sie begeisterten in einem freien Land mit den Arien der Berliner Operette, laut Weller gleichrangig der Wiener. Brachten den Schwung, die Ausgelassenheit und Leichtigkeit jener Lieder zu Gehör. Gleich, ob sie „Meine Liebe, deine Liebe“, „In Schöneberg im Monat Mai“ aufführten oder „Schlösser“ auf dem Mond bauten – es war unvergiftete „Berliner Luft“, politisch gesehen, nicht ökologisch. Und damit ein beschwingter, bezaubernder Neujahrsempfang. So gelungen, dass Christian Mädler, Dramaturg am Scharoun-Theater, wünschte, der neue Intendant möge das bewährte Programm fortführen. Nun ja, auch der Theaterring trug zur Entlassung von Dirk Lattemann bei.
Wolfsburger Nachrichten vom 26.01.2025 (Digitalausgabe)