Wolfsburger Nachrichten vom 02.11.2023
(Digitalausgabe)
VW-Manager: Wolfsburg nicht sich selbst überlassen
Thomas Steg steuert im Auftrag von Volkswagen die kulturellen Belange der Konzernhauptstadt Wolfsburg. Geld dafür
werde auch weiterhin fließen.
Foto: Helge Landmann / regios24
Die größten Bauvorhaben von Volkswagen in Wolfsburg sind geplatzt. Was bleibt,
ist das Sponsoring des VfL - und der Kultur.
Hans Karweik
Kulturförderung sei und bleibe „ein Teil unserer Unternehmenskultur“, erklärte Thomas Steg.
Der VW-Manager nahm als Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Theater-Gesellschaft am
ersten „Talk im Foyer“ von Theaterring und Scharoun-Theater teil. Auf entsprechende Fragen
von Moderator Martin Weller präzisierte er: „Wolfsburg ist das Hauptquartier“, bezog aber alle
VW-Standorte ein, „weil uns die örtliche Lebensqualität unserer Mitarbeiter am Herzen liegt“.
Kulturangebot für eine Stadt mit 300.000 Einwohnern
Wolfsburg sei zwar eine 120.000-Einwohner-Stadt, verfüge aber über kulturelle Angebote für
eine Stadt von 300.000 Einwohnern. Das sei auch für Volkswagen von Bedeutung, da der
Hauptsitz keine Millionenstadt sei, keinen Großflughafen, keine internationale Universität
habe. Steg schränkte aber ein: „Es wird schwierig“ angesichts der aktuellen, wirtschaftlichen
Weltlage. VW könne nicht mehr alle Unterstützungen aufrechterhalten. Auch wenn „nicht
mehr alles so wie bisher“ gesichert werden könne, werde VW „diese Stadt nicht sich selbst
überlassen. Wolfsburg ist Schwerpunkt“, versicherte der VW-Manager. Und zeigte sich
hinsichtlich der Zukunft zuversichtlich: VW werde unter den weltweit ersten drei Autobauern
bleiben. Es kämen „ein Chinese“ und Tesla hinzu. Es werde „evolutionäre Entwicklungen,
weitgehende Veränderungen“ geben, aber „das Auto wird bleiben“. Steg zitierte dabei den
„Satz des Leoparden“ aus Giuseppe di Tomassis Roman „Il Gattopardo“: Man muss alles
verändern, damit alles so bleibt, wie es ist.
Das Theater soll mehr junge Leute begeistern
Auch auf der Bühne werde es weiterhin griechisch-antike Komödien geben und klassische
Musik aufgeführt werden. Aber bezüglich des Scharoun-Theaters sprach sich der
Aufsichtsratsvorsitzende für eine Perspektive aus, um auch künftig die Zuschauerzahlen zu
sichern und junge Leute zu gewinnen. Denn „im Theater erlebt man Kultur“. Die Angebote
müssten „inhaltlich anspruchsvoll“ sein, zur kritischen Auseinandersetzung mit
gesellschaftlichen Entwicklungen beitragen und Anstöße geben. Digitale Angebote könnten
zwar überall abgerufen werden, aber nicht diese Atmosphäre, diese Unmittelbarkeit
vermitteln. Als soziale Komponente kultureller Förderung hob Steg die Subvention „der
Zutrittspreise für bedeutende Hamburger und Berliner Museen“ hervor, damit diese auch
Menschen mit geringerem Einkommen erschwinglich seien. Weltweit unterstütze Volkswagen
darüber hinaus kulturelle Einrichtungen, etwa das Guggenheim-Museum.
Wolfsburger Allgemeine vom 30.10.2023
Talk im Theater: VW muss sparen - auch bei Kunst und Kultur?
Gesprächsrunde im Foyer: Cheflobbyist Thomas Steg gibt Entwarnung -
Alt-OB Schnellecke appeliert an Volkswagen
Von Carsten Bischof
Volkswagen muss sparen - auch bei Kunst und Kultur? Um diese Frage drehte sich der erste
„Talk in Foyer“ am Sonntag im Wolfsburger Scharoun-Theater. Talkgast Thomas Steg,
Cheflobbyist von Volkswagen und Aufsichtsratsvorsitzender der Theater GmbH der Stadt
Wolfsburg, hatte eine eindeutige Antwort parat. Der frühere Wolfsburger Oberbürgermeister
Rolf Schnellecke richtete während der Gesprächsrunde einen klaren Appell an die VW-
Führungsmannschaft - und Wolfsburgs Stadtbaurat und Kulturdezernent Kai- Uwe Hirchheide
beendete die Rund mit einem Wunsch an Stadtverwaltung und Kommunalpolitiker.
„Talk im Foyer“: Der frühere Oberbürgermeister Rolf Schnellecke - hier neben Moderator
Martin Weller - appellierte an VW, nicht an Kunst und Kultur in Wolfsburg zu sparen.
FOTOS: TIM SCHULZE
Führende Persönlichkeiten zusammenbringen
„Talk im Foyer“ soll laut Dorothea Frenzel, Vorsitzende des Theaterrings, an das Format „Das
philosophische Quartett“ erinnern und regelmäßig „führende Persönlichkeiten“
zusammenbringen, um über gesellschaftlich aktuelle Fragen zu diskutieren. „Dieses Format ist
ein Experiment“, betonte sie bei der Begrüßung. „Wir möchten das Theater öffnen für
Gespräche.“ Auch Intendant Rainer Steinkamp betonte, dass das Theater zum 50. Geburtstag
neue Wege beschreiten wolle.
Thema des ersten Talks war „Stadt und Kultur - 50 Jahre Vergangenheit, 50 Jahre Zukunft …“,
moderiert wurde die Runde vom Kulturmanager Martin Weller. Gleich zu Beginn stellte Thomas
Steg klar: „Sie Kulturförderung ist Teil der Unternehmenskultur von Volkswagen.“ Dabei sei es
das Ziel „den Zugang zu Kunst und Kultur zu erleichtern“. Er verwies auf das Art4All-Projekt in
Berlin: Dort sponsere VW reduzierte Eintrittspreise in Museen - „das wird in Berlin sehr gut
angenommen“, so Steg. Aber angesichts der finanziellen Lage von Volkswagen „werden wir
künftig nicht mehr alles machen können“. VW werde neue Prioritäten setzen müssen.
Sein Ansatz dabei: Das Wolfsburger Theater müsse sich für jüngere Zielgruppen öffnen - das
Programm dürfe nicht „elitär und alt“ sein. Er betonte aber auch: „Wir stellen unsere
Aktivitäten an anderen Standorten nicht in Frage.“ Wolfsburg, Braunschweig, Emden,
Hannover, Kassel, Salzgitter - „wir geben den Kommunen etwas zurück“. Denn: Man könne
die „klügsten Köpfe“ nur nach Wolfsburg holen, wenn man ihnen auch Lebensqualität biete.
Denn „gute Unterhaltung“ durch Kunst und Kultur bedeute nicht nur Zerstreuung, sondern
immer auch „Auseinandersetzung mit der Welt“ - habe demnach „Qualität“. Sein Fazit: Bei
globalen Kunstprojekten wie etwa der Biennale könne VW sparen, nicht aber an Kunst und
Kultur vor Ort.
Alt-OB Schnellecke sprang ihm zur Seite: „Volkswagen und die Stadt Wolfsburg hatten schon
immer eine tolle Verbindung.“ Ein Ende der Kunst- und Kulturförderung in Wolfsburg „kann
sich VW gar nicht leisten“. Diese Botschaft wolle er der Führungsriege von VW mitgeben.
Allerdings dürfe VW bei der Kulturförderung keine Defizite stopfen, „sondern soll das fördern,
was gut läuft!“ Das Theater laufe gut, die Sommerbühne laufe gut, die vielfältige Kulturszene
in Wolfsburg insgesamt sei einzigartig.
„Hauptstadt von VW“ soll sich „etwas Besonderes“ leisten
Aber es gehe auch darum, sich als „Hauptstadt von Volkswagen“ etwas Besonderes zu Leisten
- wie das Scharoun-Theater, wie das Phaeno. „Wenn wieder mal die Gelegenheit kommt,
sollten wir noch mal etwas Besonderes bauen.“ Er verwies auf den langen Kampf um das
Phaeno „als städtisches Gegenstück zur Autostadt“ - der englische „Guardien“ zähle das
Science Center zu den zwölf bedeutendsten Bauwerken der Moderne - „und es steht hier in
Wolfsburg“, so Schnellecke.
Hirschheide fordert mehr Mut zum Bauen
Das perfekte Stichwort für Kai-Uwe Hirschheide: Man könne nicht nur auf Volkswagen hoffen,
„auch die Stadt müsse aktiv werden“. Nicht nur bei Erhalt von bedeutenden Gebäuden wie
Theater oder Alvar Aalto-Haus, sondern auch bei der Neugestaltung des Nordkopfes. Sein
Wunsch: „Wir müssen wieder mutiger werden und experimentieren. Wir reglementieren uns
gerade zu Tode!“ Dafür gab es viel Beifall aus dem Plenum. Vielleicht helfe es ja schon, die
eigenen Ansprüche runterzuschrauben und einfach mal Dinge auszuprobieren.
„Talk im Foyer“ im Scharoun-Theater: Weltkultur ist unverzichtbar
Die erste Runde „Talk im Foyer“ fand im Foyer des Scharoun-Theaters Wolfsburg statt.
Foto: Helge Landmann / regios24
Rolf Schnellecke, Thomas Steg und Kai Uwe Hirschheide sprachen unter dem Titel
„Stadt und Kultur – 50 Jahre Vergangenheit, 50 Jahre Zukunft“.
Hans Karweik
„Stadt und Kultur – 50 Jahre Vergangenheit, 50 Jahre Zukunft“. Unter diesem Titel sprachen
am Sonntagvormittag Alt-Oberbürgermeister Rolf Schnellecke, VW-Manager Thomas Steg,
Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Theater GmbH und Kai Uwe Hirschheide, Erster
Stadtrat (Bauwesen, Kultur), im voll besetzten Foyer des Scharoun-Theaters. Kulturmanager
Martin Weller moderierte den ersten „Talk im Foyer“. „Die öffentlichen Plaudereien“, wie
Dorothea Frenzel, Vorsitzende des Theaterrings betonte, sollen dazu beitragen, aktuelle,
gesellschaftliche Fragen „mit Ihnen, dem Publikum“ zu erörtern. Für diese Initiative dankte
Kooperationspartner Theater-Intendant Rainer Steinkamp, weil so der Spielplan durch
„Anregungen, Austausch und Ansichten“ ergänzt werde.
Weller lenkte als „Fan der Moderne“, damit auch als bekennender Wolfsburg-Fan, den Blick
auch auf den Ort. Durch die Glasfassaden fiel der Blick auf den „grünen Hügel“ Klieversberg,
im Hintergrund die bebaute Stadt, noch erkennbar auch das Rathaus am grünen Dach, zudem
Bäume im bunten Herbstlaub. Der räumliche Abstand ließe das von Hans Scharoun
entworfene Theater solitär bleiben, binde es auch in das Kulturquartier aus Alvar-Aalto-
Kulturhaus, Planetarium und Congress-Park ein.
Ein Blick in die Vergangenheit beim „Talk im Foyer“
Schnellecke erinnerte sich, „wie wir als Schüler die Wiener Philharmoniker unter Herbert von
Karajan erlebten in unserer kleinen Stadt“. Noch dazu Ausstellungen mit Werken bedeutender
Künstler der Moderne wie Vincent van Gogh. Lesungen und Aufführungen in der Aula des
Ratsgymnasiums. Er hob die Bedeutung der übrigen „Leuchttürme“ wie Phaeno und Autostadt
für die Lebensqualität in Wolfsburg hervor, aber auch die Kultur, die in der Stadt entsteht:
beispielhaft das Tanzende Theater, die Kunstvereine, Musikgruppen und Künstler wie in der
Burg Neuhaus heute, in der Vergangenheit die „Schlossstraße 8“.
Hirschheide sagte, dass die hiesigen Kulturschaffenden auf der Porschestraße durch das
Projekt „Kunst und Kultur“ erneut in die Stadtentwicklung einbezogen würden, sich das
Schloss zum Zentrum Bildender Kunst entwickele durch die Aufnahme der Vereine Crearte und
Junge Kunst.
Steg sicherte die kulturelle Förderung durch Volkswagen „an unseren Standorten“ weiterhin
zu. Er sagte, diese müsse „sich nicht rechnen, aber qualifizierte, gefragte Angebote“
unterstützen. Zudem sollten weiterhin herausragende kulturelle Events veranstaltet werden.
Wolfsburger Nachrichten vom 29.10.2023
(Digitalausgabe)