Wolfsburger Allgemeine vom 20.05.2023
theaterring wolfsburg e.v.                   Bildung, Kunst und Kultur theaterring wolfsburg e.v. Partner und Förderer des Scharoun Theaters seit 1965
Scharoun Theater Wolfsburg: Restlos ausverkaufte musikalische Soirée Delikate Kammermusik und genussreiche Speisen: Diese Kombination bot am Freitagabend eine Veranstaltung im Scharoun Theater Wolfsburg. Beim Publikum fand sie großen Anklang. Heinz-Werner Kemmling Ein Teil war delikate Kammermusik, ein anderer genussreiches Speisen, alles zusammen vereinigte sich zur Soirée, zu der der Theaterring am Freitag ins Foyer des Scharoun Theaters eingeladen hatte. Dorothea Frenzel, Vorsitzende des Theaterrings, bedankte sich beim Intendanten Dirk Lattemann für die Unterstützung und begrüßte „glücklich über den Zuspruch“ die Besucherinnen und Besucher an den restlos ausverkauften Plätzen, aber auch die beiden jungen Musikerinnen, die sie „vor genau einem Jahr kennengelernt und für diesen Abend gewinnen“ konnte. Es war ein Glücksmoment! Hiroko Arimoto (Klavier) und Julia Henrichmann (Klarinette) kennen sich von der Hochschule für Musik Detmold. Arimoto ist dort Korrepetitorin für Violin- und Klarinettenklassen und ist gefragt als Pianistin auf internationaler Ebene. Henrichmann hat als Jungstudentin begonnen und ist noch Studentin, die bereits mehrfache Preisträgerin renommierter Wettbewerbe ist. Hohes Niveau: Die beiden Interpretinnen beherrschten ihr Handwerk. © Quelle: Britta Schulze Die hohe Musikalität der Interpretinnen ist ansteckend Bereits mit dem eröffnenden Stück „Thema con variazioni“ für Klarinette und Klavier von Jean Françaix wirkt die hohe Musikalität beider Interpretinnen ansteckend. Françaix, ein bedeutender französischer Komponist des 20. Jahrhunderts, der seinen Personalstil als Neoklassizist gefunden hat, widmete das Stück seinem Enkel Olivier. „O.livier“ notiert er in der Partitur immer dann, wenn das Fünfton-Motiv auftaucht, über das er die sieben Variationen geschrieben hat. Beide Interpretinnen wirken durch eine grandiose Homogenität. Die leichte, lockere, auch durch Jazzanklänge belebte Atmosphäre des Stücks sowie rhythmische und auch überraschende Nuancenwechsel übertragen sich spürbar auf das Publikum. Wolfsburger hören Stück, das meisterliches Können voraussetzt Die folgende „Fantasie für Soloklarinette“ von Jörg Widmann verlangt höchste Virtuosität. Der Zeitgenosse Widmann hat 1993 als knapp Zwanzigjähriger in seinem Stück die Grenzen des Instruments ausgelotet. Die Bandbreite der möglichen Tonhöhen wird durch komplizierte, neuartige Griffweisen und Anblastechniken wesentlich erweitert. Hierdurch erlangen auch konventionelle Tonfolgen ungeahnte Klangmöglichkeiten. Mit Multiphonics werden auf dem eigentlich einstimmig spielenden Instrument vierstimmige Akkorde mit Obertönen hörbar. Hinzu kommen Klappengeräusche, Flatterzunge oder Glissandi. Sauber und scheinbar mühelos gestaltet die Solistin das Stück, das meisterliches Können voraussetzt. Zufriedenes Publikum: Das Foyer war ausverkauft. © Quelle: Britta Schulze Nicht minder anspruchsvoll sind die „3 Romanzen op. 94“ von Robert Schumann, und das „Grand Duo consertant op. 48“ von Carl Maria von Weber. Die glänzende Anschlagskultur von Hiroko Arimoto und das musikalische, spieltechnische Gestaltungsvermögen von Julia Henrichmann verführen zu höchstem Klanggenuss. Vor dem Genuss der Speisen aber noch eine an Humor kaum zu überbietende Zugabe: „Immer kleiner“ hat Adolf Schreiber sein Stück genannt, in denen die Klarinette in Einzelteile zerlegt wird, bis ein Piepston aus dem verbliebenen Mundstück das Spiel beendet. „Musikalisches und Lukullisches“ im Wolfsburger Scharoun Theater Hiroko Arimoto am Klavier und Julia Henrichmann mit der Klarinette spielten auf Einladung des Theaterrings im Wolfsburger Scharoun-Theater. Foto: Helge Landmann / regios24 Hans Karweik Hiroko Arimoto und Julia Henrichmann spielen im Scharoun-Theater Klavier und Klarinette. So kommt der Abend bei den Gästen an Bach, Grieg, Händel, Verdi und Vivaldi, fast alle bedeutenden Komponisten haben Stücke für Klarinette und Klavier geschrieben. Adolf Schreiner ein sehr merkwürdiges, humoristisches Werk: „Immer kleiner“. Das ist sogar wörtlich zu nehmen, wie die junge Klarinettistin Julia Henrichmann im Duett mit Hiroko Arimoto (Klavier) am Freitagabend im Foyer des Scharoun- Theaters zeigte. Stück für Stück zerlegte die Klarinettistin ihr Instrument, bis sie schließlich nur noch schräge Töne mit Birne und Mundstück blies. Das Publikum im ausverkauften Theater war begeistert. Dorothea Frenzel, Vorsitzende des gastgebenden Theaterrings, fasziniert: „So schön, so atmosphärisch.“ Wiederbelebung von „Musikalisches und Lukullisches“ durch den Theaterring Nach der Corona-Pause war es eine gelungene Wiederbelebung der eigenen, sehr beliebten Reihe „Musikalisches und Lukullisches“ des Theaterrings. Begegnet waren Ring-Mitglieder der japanischen Lehrerin für Klarinette an der Detmolder Hochschule für Musik in Westfalen. Arimoto unterrichtet dort sowie in Hannover Klarinettenklassen. Sie trat bereits in Wolfsburg durch eigene Konzerte hervor. Mit der jungen Klarinettistin Henrichmann zeigte sie zudem, wie gut sie Talente fördern, sie erfahren begleiten und zu eigenen hohen Leistungen bringen kann. Hiroko Arimoto und Julia Henrichmann unterhalten das Theater-Publikum Das Publikum hörte und erlebte somit eine vergnügliche Fantasie für Klarinette. Der Theaterring bot eine sich von anderen Musikaufführungen abhebende Soirée, die nach dem mehr als einstündigen Konzert zu Gesprächen bei Suppe und Häppchen führte. Zuvor erklangen Werke von Jean Francaix (Tema con variazioni), Jörg Widmann (Kleine Fantasie für Klarinette), Carl Maria von Weber (Grand Duo concertant Es-Dur, op. 48) und Robert Schumann (Drei Romanzen). Klarinette bietet eine große Bandbreite Diese Auswahl signalisiert, wie in allen Epochen und Stilen die Klarinette ein bei Komponisten und Musikern gleichermaßen beliebtes Instrument ist – und welche Möglichkeiten sie bietet mit ihrer ungewöhnlichen Bandbreite: sehr tief, sehr hoch; sehr leise, sehr laut. Sie erlaubt Glissandi, Vibrati und Staccati. Und sie widerlegte Robert Schumann. Die „Drei Romanzen“ hatte er 1849 ausdrücklich nicht für Klarinette und Klavier geschrieben. In der Praxis kam es anders. Henrichmann bewies, dass die Klarinette ebenso gut wie die vorgesehene Oboe die drei Sätze erklingen lässt: im Wechsel der Tongeschlechter Moll und Dur, „nicht schnell“ und „einfach innig“. Versteht sich, dass es eine kleine Zugabe gab.
Wolfsburger Nachrichten vom 20.05.2023