Wolfsburger Allgemeine vom 20.05.2023
Scharoun Theater Wolfsburg: Restlos ausverkaufte
musikalische Soirée
Delikate Kammermusik und genussreiche Speisen: Diese Kombination bot am Freitagabend eine
Veranstaltung im Scharoun Theater Wolfsburg. Beim Publikum fand sie großen Anklang.
Heinz-Werner Kemmling
Ein Teil war delikate Kammermusik, ein anderer genussreiches Speisen, alles zusammen
vereinigte sich zur Soirée, zu der der Theaterring am Freitag ins Foyer des Scharoun Theaters
eingeladen hatte. Dorothea Frenzel, Vorsitzende des Theaterrings, bedankte sich beim
Intendanten Dirk Lattemann für die Unterstützung und begrüßte „glücklich über den
Zuspruch“ die Besucherinnen und Besucher an den restlos ausverkauften Plätzen, aber auch
die beiden jungen Musikerinnen, die sie „vor genau einem Jahr kennengelernt und für diesen
Abend gewinnen“ konnte. Es war ein Glücksmoment!
Hiroko Arimoto (Klavier) und Julia Henrichmann (Klarinette) kennen sich von der Hochschule
für Musik Detmold. Arimoto ist dort Korrepetitorin für Violin- und Klarinettenklassen und ist
gefragt als Pianistin auf internationaler Ebene. Henrichmann hat als Jungstudentin begonnen
und ist noch Studentin, die bereits mehrfache Preisträgerin renommierter Wettbewerbe ist.
Hohes Niveau: Die beiden Interpretinnen beherrschten ihr Handwerk.
© Quelle: Britta Schulze
Die hohe Musikalität der Interpretinnen ist ansteckend
Bereits mit dem eröffnenden Stück „Thema con variazioni“ für Klarinette und Klavier von Jean
Françaix wirkt die hohe Musikalität beider Interpretinnen ansteckend. Françaix, ein
bedeutender französischer Komponist des 20. Jahrhunderts, der seinen Personalstil als
Neoklassizist gefunden hat, widmete das Stück seinem Enkel Olivier. „O.livier“ notiert er in der
Partitur immer dann, wenn das Fünfton-Motiv auftaucht, über das er die sieben Variationen
geschrieben hat.
Beide Interpretinnen wirken durch eine grandiose Homogenität. Die leichte, lockere, auch
durch Jazzanklänge belebte Atmosphäre des Stücks sowie rhythmische und auch
überraschende Nuancenwechsel übertragen sich spürbar auf das Publikum.
Wolfsburger hören Stück, das meisterliches Können voraussetzt
Die folgende „Fantasie für Soloklarinette“ von Jörg Widmann verlangt höchste Virtuosität. Der
Zeitgenosse Widmann hat 1993 als knapp Zwanzigjähriger in seinem Stück die Grenzen des
Instruments ausgelotet. Die Bandbreite der möglichen Tonhöhen wird durch komplizierte,
neuartige Griffweisen und Anblastechniken wesentlich erweitert. Hierdurch erlangen auch
konventionelle Tonfolgen ungeahnte Klangmöglichkeiten. Mit Multiphonics werden auf dem
eigentlich einstimmig spielenden Instrument vierstimmige Akkorde mit Obertönen hörbar.
Hinzu kommen Klappengeräusche, Flatterzunge oder Glissandi. Sauber und scheinbar mühelos
gestaltet die Solistin das Stück, das meisterliches Können voraussetzt.
Zufriedenes Publikum: Das Foyer war ausverkauft.
© Quelle: Britta Schulze
Nicht minder anspruchsvoll sind die „3 Romanzen op. 94“ von Robert Schumann, und das
„Grand Duo consertant op. 48“ von Carl Maria von Weber.
Die glänzende Anschlagskultur von Hiroko Arimoto und das musikalische, spieltechnische
Gestaltungsvermögen von Julia Henrichmann verführen zu höchstem Klanggenuss.
Vor dem Genuss der Speisen aber noch eine an Humor kaum zu überbietende Zugabe:
„Immer kleiner“ hat Adolf Schreiber sein Stück genannt, in denen die Klarinette in Einzelteile
zerlegt wird, bis ein Piepston aus dem verbliebenen Mundstück das Spiel beendet.
„Musikalisches und Lukullisches“ im Wolfsburger Scharoun
Theater
Hiroko Arimoto am Klavier und Julia Henrichmann mit der Klarinette spielten auf Einladung des
Theaterrings im Wolfsburger Scharoun-Theater.
Foto: Helge Landmann / regios24
Hans Karweik
Hiroko Arimoto und Julia Henrichmann spielen im Scharoun-Theater Klavier und
Klarinette. So kommt der Abend bei den Gästen an
Bach, Grieg, Händel, Verdi und Vivaldi, fast alle bedeutenden Komponisten haben Stücke für
Klarinette und Klavier geschrieben. Adolf Schreiner ein sehr merkwürdiges, humoristisches
Werk: „Immer kleiner“. Das ist sogar wörtlich zu nehmen, wie die junge Klarinettistin Julia
Henrichmann im Duett mit Hiroko Arimoto (Klavier) am Freitagabend im Foyer des Scharoun-
Theaters zeigte. Stück für Stück zerlegte die Klarinettistin ihr Instrument, bis sie schließlich
nur noch schräge Töne mit Birne und Mundstück blies. Das Publikum im ausverkauften
Theater war begeistert. Dorothea Frenzel, Vorsitzende des gastgebenden Theaterrings,
fasziniert: „So schön, so atmosphärisch.“
Wiederbelebung von „Musikalisches und Lukullisches“ durch den
Theaterring
Nach der Corona-Pause war es eine gelungene Wiederbelebung der eigenen, sehr beliebten
Reihe „Musikalisches und Lukullisches“ des Theaterrings. Begegnet waren Ring-Mitglieder der
japanischen Lehrerin für Klarinette an der Detmolder Hochschule für Musik in Westfalen.
Arimoto unterrichtet dort sowie in Hannover Klarinettenklassen. Sie trat bereits in Wolfsburg
durch eigene Konzerte hervor. Mit der jungen Klarinettistin Henrichmann zeigte sie zudem, wie
gut sie Talente fördern, sie erfahren begleiten und zu eigenen hohen Leistungen bringen kann.
Hiroko Arimoto und Julia Henrichmann unterhalten das Theater-Publikum
Das Publikum hörte und erlebte somit eine vergnügliche Fantasie für Klarinette. Der
Theaterring bot eine sich von anderen Musikaufführungen abhebende Soirée, die nach dem
mehr als einstündigen Konzert zu Gesprächen bei Suppe und Häppchen führte. Zuvor
erklangen Werke von Jean Francaix (Tema con variazioni), Jörg Widmann (Kleine Fantasie für
Klarinette), Carl Maria von Weber (Grand Duo concertant Es-Dur, op. 48) und Robert
Schumann (Drei Romanzen).
Klarinette bietet eine große Bandbreite
Diese Auswahl signalisiert, wie in allen Epochen und Stilen die Klarinette ein bei Komponisten
und Musikern gleichermaßen beliebtes Instrument ist – und welche Möglichkeiten sie bietet
mit ihrer ungewöhnlichen Bandbreite: sehr tief, sehr hoch; sehr leise, sehr laut. Sie erlaubt
Glissandi, Vibrati und Staccati. Und sie widerlegte Robert Schumann. Die „Drei Romanzen“
hatte er 1849 ausdrücklich nicht für Klarinette und Klavier geschrieben. In der Praxis kam es
anders. Henrichmann bewies, dass die Klarinette ebenso gut wie die vorgesehene Oboe die
drei Sätze erklingen lässt: im Wechsel der Tongeschlechter Moll und Dur, „nicht schnell“ und
„einfach innig“. Versteht sich, dass es eine kleine Zugabe gab.
Wolfsburger Nachrichten vom 20.05.2023